Unrentabler Streuobstbau

Die Idee der Streuobstwiese: 2x ernten: oben Äpfel, unten Gras!

Warum ist diese kluge Idee heute nicht mehr zeitgerecht?

Dazu eine Gedankenexperiment:

2 Freunde bewirtschaften je 2 Hektar (ha) Streuobstwiese

Albrecht Altergebracht arbeitet so wie seit jeher: Pro Hektar pflegt er etwa 50 z.T. alte Streuobsthochstämme.

Moritz Modern strukturiert um: 1 ha Plantagenbau und 1 ha Wiese.


Albrecht Altergebracht arbeitet so wie seit jeher: Pro Hektar pflegt er etwa 50 z.T. alte Streuobsthochstämme.


Bei Albrecht liefert jeder Baum im Durchschnitt 20 kg Äpfel/Jahr, junge Bäume schon herausgerechnet.

2x/Jahr wird die Wiese gemäht, nicht mit der Handsense, sondern mit einem Balkenmäher. (Ein Traktor paßt nicht unter die Bäume) Der Balkenmähr mäht auf einer Breite von gut einem Meter, fährt mit ca 3,5 km/h.

Nach der Mahd muß das Mähgut zum Trocknen mehrfach gewendet, dann aufgeladen und abtransportiert werden.

Aber Albrecht hält gar keine Tiere mehr und niemand wird sein Heu abkaufen.

Also wird er das Gras nicht mähen sondern mulchen.

Ein Mulcher zerschneidet das Gras mehrfach, so daß es schneller verrottet: es bleibt einfach liegen. Da ein Mulcher aber einen höheren Kraftbedarf hat, ist er schmaler: die Mahd dauert länger.

Im Herbst werden die Äpfel geerntet, dazu muß jeder Baum mehrfach angeleitert werden, ständiges Auf- und Absteigen.

Im Winter und Frühjahr müssen die Bäume geschnitten werden, damit sie nicht verwildern.

Am Ende bekommt er etwa 7 € / Doppelzentner (100kg) Äpfel, an Geldwert also etwa:

140€/Jahr.



Moritz Modern ändert seine Betriebsweise:

-ein ha wird Plantagenbau

-ein ha wird reine Mahdwiese.

Auf dem Hektar Pantagenbau stehen junge Stecklinge dicht an dicht , ähnlich einer Hecke, ungefähr wie Weinreben im Weingarten. Für Pflege bracht man keine Leitern, sie können vom Boden gepflegt und abgeernet werden.

Die Wiese wird mit einen großen Traktor in kürzester Zeit abgemäht, gewendet und aufgesammelt.

Das Heu kann für mehr als 100 € Tonne verkauft werden
(Ballen), die Fläche wird für die Gülleausführ benötigt. Durch die Düngung wächst das Gras schnell, und kann schnell wieder geerntet werden. Somit sind bis zu 6 Mähgänge / Jahr möglich.

Ein Ertrag von 40 bis 100 Dezitonnen Trockenmasse pro Jahr/Hektar ist realistisch.

Wegen der hohen Maschinenkosten wird er dies Profis überlassen und lieber die Wiese verpachten oder verkaufen (oder eben auch in Plantagenbau umwandeln)

An Heu kann er also 400 bis 1000€ verdient werden.

An Äpfel kann mit über 250 Dezitonnen Äpfel je Hektar gerechnet werden.

Durchschnittlichen Preise für Tafeläpfel sind bei über 50 €/dt.

Somit erwirtschaftet Moritz auf dem einen verbliebenen Hektar Obstbau durch Äpfel:

 12.500 € /Jahr, zusätzlich Wiesenpacht


(rein theoretisch: abzüglich Lohn, Material, Steuern...)



Damit stellt sich nicht mehr die Frage, warum es heute so wenig Streuobstwiesen gibt, sondern warum es überhaupt noch welche gibt.

Die Antwort liegt hier in Baden-Württemberg im alten württembergischen Erbrecht:

Die Parzellen wurden auf die Erben aufgeteilt und somit immer kleiner, (um 1000 m²)

Streuobstwiesen werden schon lange nicht mehr als Hauptberuf bewirtschaftet, auch nicht mehr als Nebenerwerb, sondern als nur Hobby, das Obst wird für den Eigenbedarf bearbeitet.

Ökonomisch haben Streuobstwiesen keine Bedeutung in der Erwerbslandwirtschaft.


Ökologisch ist die Lage allerdings anders.

Albert muß aber für seine Familie keine Äpfel kaufen, keinen Apfelsaft, vielleicht kocht er auch Apfelmuß und Marmeladen aus Zwetschge, Mirabelle, Kirsche... hat vielleicht eigenen Most oder Cidre.

Seine Bäume werden bis 100 Jahre alt, seine Sämlinge wurzeln tief und sind wenig anfällig für Trockenheit und Wind.

Wenn er seine Wiese nur 2 mal mäht und dabei einige Regeln beachtet, kann er eine artenreiche Kräuterwiese erhalten:

ein Refugium für viele Pflanzen und Tiere.



Moritz muß Pflanzenschutz betreiben, Krankheiten und Schädlinge breiten sich schneller aus, denn

- seine Bäume stehen dicht an dicht

- als Monokultur und Neuzüchtungen sind die Bäume anfälliger.

- die neuen Apfelsorten ist meist polyphenolarm, (Polyphenole schützen den Baum)

Da Polyphenole vor Allergien schützen, können "moderne" Äpfel Allergien auslösen (s.u.)

Als Stecklinge mit flachen Wurzeln anfälliger für Trockenperioden und Wind

Die Bäume müssen etwa alle 8 Jahre ausgetauscht werden, weil sie dann im Ertrag nachlassen.

Die Wiesengräser kommen durch die häufige Mahd nicht mehr zur Blüte, es gibt also kaum Nahrung für Insekten, und damit auch nicht für Kleintiere.

Die Vermehrung erfolgt nur über die Wurzeln.

Durch die häufige Düngung verdrängen wenige wuchsstarke Gräser alle Kräuter: die Wiese wird artenarm.

Das Grundwasser wird durch Nitrat belastet.